Kirchhof, Gottesacker, Friedhof

Bis zum 19. Jahrhundert sprachen die Menschen noch vom Kirchhof oder Gottesacker, wenn sie von Begräbnisstätten sprachen. Christliche Begräbnisstätten wurden so nahe wie möglich an Kirchen und Kapellen angelegt. Man wollte dem 'Heiligen' - oftmal verkörpert durch Reliquien in den Kirchen - auch im Tode so nahe wie möglich sein. Je näher man mit seinem Begräbnisplatz diesem Heiligen kam, umso besser. Und so muss man sich die Friedhöfe rund um die Rintelner Kirchen nicht als geordnete Plätze vorstellen.

Der Begriff ‚Gottesacker‘ setzt sich dann seit der Zeit Luthers zunehmend durch. In ihm spiegelt sich wieder, dass man seit der Reformation damit begonnen hat, auch außerhalb der städtischen Mauern (also in der Tat auf dem Acker) Friedhöfe für alle Bevölkerungsteile anzulegen.

Seit 1550 mehren sich Schriften von Medizinern, die da davor warnen, dass die von den Friedhöfe in den Städten ausgehenden üblen Dampfe die Luft verderben und das Wasser verunreinigen.

Das führt dazu, dass Luther – als er um eine Stellungnahme im Streit zur Verlegung eines innerstädtischen Friedhof gebeten wird, empfiehlt: diese Dinge den Herrn ‚doctores der erztney‘ zu überlassen, weil die darin erfahren sind, zu urteilen, ob es ‚ferlich sey, daß man mitten ynn stedten kirchhofe hat. Denn ich weis und verstehe mich nichts drauff, ob aus den grebern dunst odder damff gehe, der die lufft verrücke‘. (aus Luthers Schrift 'Ob man vor dem Sterben fliehen möge‘).

Da für Luther und vor allem für die in allem noch strengeren Schweizer Reformatoren keine Notwendigkeit mehr besteht, die Toten in der Nähe der Heiligen (ad sanctos) zu bestatten, ist der Weg frei, nun eine neue Bestattungskultur außerhalb der Städte, auf dem Gottesacker zu entwickeln.

Widerstand gegen das Anlegen von einem Gottesacker vor den Toren der Stadt gab es vor allem aus den folgenden Gründen:

  • Vornehmene Framilien hatten traditionelle Anrechte auf eine Bestattung in einem besonders hervor gehobenen Erb- oder Familienbegräbnis.
  • Vor 1600 wurden vor allem die Armen und Elenden (das sind die Fremden, die in einer Stadt verstarben) und die Unwürdigen (Verbrecher, Selbstmörder, Henker, Abdecker…) vor den Toren der Stadt begraben. Das wirkte noch lange nach.
  • Es gab die Angst, dass die Toten vergessen werden, wenn sie außerhalb der Städte begraben liegen.
  • Man befürchtete (vor allem von katholischer Seite aus), dass die Menschen ihre eigene Sterblichkeit, ihre Endlichkeit vergessen, wenn sie den Tod nicht mehr täglich vor Augen haben. Das ging so weit, dass man die Lutheraner (weil sie nichts gegen einen Gottesacker hatten) als ‚Weicheier‘ beschimpfte, den Anblick des Todes in ihren Städten nicht vertrugen.

So ab 1770 werden in ganz Deutschland – unabhängig von der konfessionellen Prägung – die innerstädtischen Kirchhöfe aufgegeben und Verbote zur Bestattung in Kirchen erlassen. Akzeptanz finden diese neuen Verordnungen vor allem durch medizinisch-hygienischen Erkenntnisse. Es gibt um diese Zeit eine wahre Flut von Schriften, die sich mit dem Für und Wider der neuen Bestattungsformen beschäften. Das Friedhofs- und Begräbniswesen wird nun überall in Deutschland eine öffentliche Aufgabe, die der Aufsicht der Ärzte unterstellt wurde. Dies warnen seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts vor der Luftverpestung durch ausströmende Verwesungsdünste und wettern gegen eine befürchtete Verseuchung des Grundwassers

Eingang finden die Debatten der Zeit in Regelungen zur Bepflanzung der Gottesacker, die nun zunehmend als Friedhöfe bezeichnet werden. Zur Luftverbesserung pflanzt man nämlich auf den Friedhöfen Duftpflanzen, beispielsweise eine Allee von wohlriechenden Linden- oder Akazienbäumen.